Ego Shooter machen keine Amokläufer
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12.04.10
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April

12. April 2010, 12:03 Uhr

Ob Jugendkriminalität, Rechtsextremismus oder Amoklauf - Christian Pfeiffer hat die Ursache längst erkannt: Killerspiele. Wo es nur geht, ist der Kriminologe mit seinen Thesen zur Stelle. Teil fünf der Serie, in der stern.desechs Geißeln der Talkshows vorstellt. Von Wolfgang Röhl

Christian Pfeiffer, Talkshow, Geiß,eln der Talkshow

Vertritt oft und gerne seine Meinung zu allen Formen der Gewalt: Der Kriminologe Christian Pfeiffer© Eckehard Schulz/AP


Christian "T." Pfeiffer - T wie Töpfchen -, ist der Quartals-Talker des Fernsehens. Er ist nicht durchgehend auf Sendung. Aber wehe, wenn! Wenn etwa Jugendliche an Schulen oder sonst wo Amok laufen, und dann auch nur der nebulöseste Verdacht besteht, sie könnten zuvor Computerspiele geguckt haben, galoppiert Pfeiffer mit seinen Lieblingssteckenpferden durch alle Fernsehrunden. Der kurzzeitige Justizminister von Niedersachsen, Leiter des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (Spezialgebiet: die Erkundung von lukrativen staatlichen Geldquellen für Forschungsprojekte), propagiert unbeirrbar die These, dass "Killerspiele" unsere Jugend abstumpfen, verrohen und zu schrecklichen Dingen treiben können. Unter Fachkollegen ist er mit derlei Kausalitäten höchst umstritten. Zumal seine Kenntnisse der Computerspielewelt zu wünschen übrig lassen, wie ein Auftritt bei "Hart aber fair" mal belegte. Aber Pfeiffers knackiges Schlagwörterarsenal ("mediale Verwahrlosung", "dramatische Einbußen an Sensibilität für die Leiden der Opfer" usw.) machen ihn unentbehrlich, wenn nach spektakulären Verbrechen die üblichen hastig zusammengetrommelte Quasselrunden quicke Erklärungen versuchen. Zwischentöne sind nur Krampf im Quotenkampf, davon profitiert er.

Immer eine These im Ärmel

Er kann in Endlosschleife über seine Sujets diskutieren, dabei die Hände vor der Brust gegeneinander halten, Fingerspitzen gegen Fingerspitzen, ab und zu sparsame Gesten mit den Händen schaufeln. Ja, er könnte gut und gerne drei Stunden am Stück reden. Was Talkshowmacher am meisten fürchten, - die plötzliche Stille, in der keinem mehr was einfällt -, ist mit Pfeiffer an Bord unmöglich. Unterbricht man ihn nach einer Weile, springt er auch willig auf jedes andere Thema, das gerade durchs Dorf getrieben wird. Kurz, er ist ein Moderatorentraum.

Pfeiffer hat eine Nase wie Pinocchio und immer irgendeine tolle These im Ärmel. Etwa, dass der Rechtsextremismus bei Jugendlichen total populär geworden sei. Die Studie, welche das belegen sollte, wurde freilich weithin verrissen. 1999 hatte er für die relativ hohe Zahl ausländerfeindlicher Gewalttaten in Ostdeutschland die autoritäre Erziehung in den DDR-Kindergärten mit verantwortlich gemacht, wo die Kleinen sogar gemeinsam aufs Töpfchen hätten gehen müssen. Schaumige Spekulationen statt harter Wissenschaft, aber die Ostdeutschen regten sich furchtbar darüber auf. Schwupps, war Pfeiffer wieder im Gespräch.
 

Pfeifers größte Fehleinschätzung

Ein Jahr später, im Fall Sebnitz, verhob sich der Töpfchen-Theoretiker schwer. Da attestierte er einer Mutter Glaubwürdigkeit, die hartnäckig behauptet hatte, ihr achtjähriger Junge sei drei Jahre zuvor von Rechtsradikalen im Freibad der sächsischen Stadt vor 200 gleichgültigen Zeugen ertränkt worden. Auf Pfeiffers Expertise hin machten die Medien - allen voran "Bild" - ein gewaltiges Fass auf. Ein weltweiter Sturm der Entrüstung über das angeblich naziverseuchte Deutschland brach los. Ein betroffener Bundeskanzler Schröder empfing die Mutter. Wenig später entpuppte sich der Tod ihres Kindes als tragischer Unfall aufgrund mangelnder Aufsicht. Die Presse war zerknirscht. Bei den Rechtsextremen knallten die Korken.

Natürlich hat der Skandal Pfeiffer nicht geschadet. Nicht in den Talkshow-Redaktionen. Dort nimmt man an, das Gedächtnis der Zuschauer gleiche einem Sieb. Und deshalb ist Professor Töpfchen nach wie vor ein gern gebuchter Gast in der Phrasenhölle der Fernsehdebattenkultur, sobald irgendwas mit Jugendgewalt, Killerspielen, schärferen Waffengesetzen und verkorksten Kindern aufs Tapet kommt. Dann spielt er das immergleiche Lied vom Tod, der aus der Playstation kommt.

Fernsehen macht gewalttätig

Einer seiner größten Sorgen ist, dass rund die Hälfte der 13- bis 15-Jährigen einen eigenen Fernseher im Zimmer stehen haben, auf dem sie stundenlang Filme mit jugendgefährdenden Inhalten glotzen und dabei "ihr Leben versäumen." Die Tonalität kennen ältere Zeitgenossen noch aus den Sechzigern, als ein gewisser Adolf Süsterhenn mit seiner "Aktion saubere Leinwand" die Jugend "vor Schmutz und Schund" bewahren wollte. Wer dann kam, waren übrigens die 68er.

Dass Fernsehkonsum die Kids dumm und gewalttätig mache, gehört zu Pfeiffers Grundannahmen. Nun ja - ob gewalttätig, darüber werden die Experten wohl ewiglich streiten. Dass Fernsehen dumm macht, scheint dagegen evident. Man merkt es an jenem leeren Gefühl im Kopf, wenn man nach einem Amoklauf eine Talkshow gesehen hat, in der mal wieder Christian Pfeiffer saß.

 


07.04.2010 12:34

Bayerns Innenminister setzt sich weiterhin für "Killerspiele"-Verbot ein

 

Meldung vorlesen und MP3-Download

Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) hat seinen im März 2009 geäußertenVergleich von gewalthaltigen Computerspielen mit Drogen und Kinderpornografie verteidigt. In einer Stellungnahme auf der Parlamentarier-Plattform Abgeordnetenwatch.de schrieb der Politiker, er habe mit dem Vergleich aufrütteln wollen. "Während Drogenkonsum in unserer Gesellschaft mit Recht nicht akzeptiert ist und Kinderpornografie allgemein auf Verabscheuung stößt, werden die Gewaltorgien auf Computerbildschirmen in ihren Auswirkungen leider von vielen verharmlost und schöngeredet." Hermann tritt weiterhin für ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot für "Killerspiele" ein.

 

Es gebe einige Untersuchungen anerkannter Wissenschaftler aus der Medienwirkungsforschung und den Neurowissenschaften, nach denen die Gewaltbereitschaft steige und die Fähigkeit zum Mitleid sinke, je intensiver jemand gewalthaltige Computerspiele spielt. Das Spielen derartiger Spiele unterscheide sich hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen deutlich vom bloßen passiven Betrachten vergleichbarer Filme. Dabei verweist Hermann unter anderem auf den Leiter der Klinik für Psychiatrie am Universitätsklinikum Ulm, Professor Manfred Spitzer, sowie auf eine Metastudie aus den USA, die 130 Forschungsergebnisse mit 130.000 Versuchspersonen ausgewertet hat.

Zwar seien Gewaltdarstellungen nach §131 des Strafgesetzbuches unter Strafe gestellt, mit Ausnahme weniger Beschlagnahmen laufe dieser Straftatbestand bei Computerspielen aber weitgehend leer, meint Hermann. Ursache sei die "viel zu großzügige Kennzeichnungspraxis der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK)". Ein Spiel, das von der USK einmal für den Markt freigegeben worden ist, könne nicht mehr von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert werden. "Das geltende Jugendschutzrecht lässt daher zu, dass höchst problematische, gewalthaltige Spiele in Deutschland frei verkäuflich sind." Damit erneuert Hermann dieKritik , die er bereits im September 2008 am seinerzeit verschärften Jugendschutzgesetz geäußert hatte. Die USK hatte die Kritik stets zurückgewiesen.

Es sei die Tatsache nicht wegzudiskutieren, dass bei fast allen Amokläufen in Deutschland der Amokläufer im Besitz von Killerspielen war, schrieb Hermann weiter. "Wir wollen keine Gesellschaft, in der Gewalt zur Selbstverständlichkeit wird." Auf die auf Abgeordnetenwatch gestellte Frage, inwiefern die Ausbildung von Wehrpflichtigen zum Töten im Gegensatz zum simulierten Töten in Videospielen mit dem Wertekonsens in Deutschland vereinbar sei, ging der Innnenminister nicht ein.

 
 
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