Killerspielverbot nimmt in der Schweiz weitere Hürde19. März 2010, 13:48 Uhr
Nicht nur in Deutschland wird immer wieder über ein Verbot sogenannter Killerspiele diskutiert.
Zwei Entwürfe, die dieses Ziel auf unterschiedlichen Wegen verfolgen, haben in dieser Woche
in der Schweiz eine neueHürde genommen und müssen jetzt in Gesetzestexte gegossen werden.
Beschlossen ist damit aber noch nicht viel.
Am Donnerstag verabschiedete der Ständerat in der Schweiz zwei Motionen, die sich mit dem
Killerspielverbot befassen. Während in der Motion Allemann ein generelles Verkaufsverbot
von Spielen gefordert wird, „in denen grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen und
menschenähnliche Wesen zum Spielerfolg beitragen“, wird in derMotion Hochreutener ein
Verkaufsverbot dieser Titel an Kinder und Jugendliche gefordert. Beide Motionen wurden
zuvor im Nationalrat der Schweiz angenommen.
Ihre Verabschiedung im Ständerat entspricht einem Auftrag an den Bundesrat,
der Regierung, ein entsprechendes
Gesetz auszuarbeiten.
Kritik für das Killerspielverbot gab es im Vorfeld auch bei unseren Nachbarn mehr als genug.
Während dabei die Motion Hochreutener noch als relativ vernünftig bezeichnet wurde, wird vor
allem Evi Allemann vorgeworfen,
alle Spieler zu sehr über einen Kamm zu scheren. Das Durchschnittsalter der Spieler,
diederartige Gewaltspiele konsumierten, lägebei etwa 30 Jahren, so etwa Anne Seydoux
von der Christlichdemokratischen Volkspartei(CVP). Ein generelles Verbot strafe
die Spieler zu Unrecht, da diese die Grenzen zwischen virtueller und realer Welt sehr
wohl kennen würden, so Seydoux.
Auf weitere Probleme macht auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf aufmerksam.
Sie verwies darauf, dass ein Verkaufsverbot ein nationales Rating der Spiele nötig mache,
das es bisher in der Schweiz allerdings
noch nicht gibt. Eine entsprechende Instanz könne aber nur nach einer
Verfassungsänderung geschaffen werden. Der Bundesrat
bezieht stattdessen lieber eine abwartende Haltung. Er will die Entwicklung
in den Schweizer Kantonen beobachten und diese die
Zusammenarbeit mit der Computerspielbranche zum Jugendschutz vorantreiben
lassen. Erst, wenn sich hier
keine positive Entwicklung abzeichne, wolle man ein Gesetz auf den Weg bringen.
Bern. Der Ständerat stimmt heute über ein Verbot von Killer-Computerspielen ab. Wer auf PC oder
Playstation solche blutrünstigen Spiele bedient, soll sich gemäss zwei hängigen Vorstössen künftig
strafbar machen. In der kleinen Kammer gehen die Meinungen allerdings auseinander, ob ein
Verbot der richtige Weg sei oder ob nicht eher auf Prävention gesetzt werden müsse.
Für ein klares Verbot ist beispielsweise der Baselbieter SP-Ständerat Claude Janiak.
11.03.2010
Computerspiele nach Winnenden
Alltagskultur statt Killerspielverbot
Von Mathias Hamann
ddp
"Counter-Strike": Alltagskultur oder "Killerspiel"?
Abgesagte Game-Turniere, die Forderung nach Verboten - nach dem Amoklauf in Winnenden schien es den Spielen wie "Counter-Strike" an den Kragen zu gehen. Gamer reagierten, demonstrierten gar. Im Koalitionsvertrag 2009 fehlt das Verbot. Ist das Ende der Killerspiele am Ende? Nicht ganz.
Der Umschwung könnte kaum größer sein: Im Jahr 2005 versprach die CDU-geführte Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag mit der SPD, für ein Verbot von "Killerspielen" zu sorgen - ohne so recht zu erklären, was damit genau gemeint war. Im neuen Koalitionsvertrag mit der FDP jedoch fehlt ein entsprechender Passus. Statt eines Verbotversprechens heißt es da vielmehr: "Computerspiele sind ein selbstverständlicher Teil unserer Alltagskultur geworden."
Unmittelbar nach dem Amoklauf in Winnenden vor genau einem Jahr sah es nicht so aus: Turniere der
Gaming-Liga ESL wurden verboten, im Juni 2009 forderte die
Innenministerkonferenz Spielverbote, und eine Initiative von Eltern aus Winnenden stellte in Stuttgart einen Container auf, um dort Gewalt-Games einzusammeln - mit sehr mäßiger Resonanz.
Trotzdem fehlten im Koalitionsvertrag 2009 die Verbotspläne. "Es ist bekannt, dass mit der SPD eines Otto Schily Sicherheitspolitik besser zu machen war als mit einer FDP von Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Das zeigt auch der Koalitionsvertrag", erklärt sich Günther Beckstein (CSU) den Wandel. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident prägte 1999 den Begriff "Killerspiel" und forderte immer wieder ein Verbot von Ego-Shootern.
"Digitaler Generationenkonflikt"
"Es ist ein verhängnisvoller Irrglaube, mit derartigen Verboten das Problem der Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen lösen zu können", sagt dagegen Carsten Reymann auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE. Der Pressesprecher der liberalen Bundestagsfraktion ist der Meinung, dass für ein wirksames Verbot der Staat beständig die PC der Bürger überwachen müsste; das sei nicht machbar mit den Liberalen.
Doch nicht nur die FDP reklamiert den Wandel für sich, auch die Junge Union erklärt immer wieder den Unsinn eines solches Verbots. Deren Chef Philipp Mißfelder zockte einst auf dem Amiga und sieht heute einen "digitalen Generationenkonflikt". Das bestätigt Günther Beckstein gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Bei den älteren CDU/CSU- Mitgliedern halte ich die Befürworter eines Verbots von Killerspielen für in klarer Mehrheit, bei den unter 25-Jährigen nicht."
Die vermeintlichen Kellerkinder, die Gamer selbst, unterzeichneten zu Zehntausenden eine Petition und gingen gar im letzten Jahr auf die Straße und organisierten die ersten Demos für Computerspiele. So protestierten sie gegen die Absage eines Computerspielturniers in Karlsruhe. Hinter der Absage steckte damals der CDU-Bundestagsabgeordnete Ingo Wellenreuther .
Der sieht Verbote heute zwar "nicht als Allheilmittel", findet aber ein Verbot immer noch richtig. Er präzisiert den Begriff der Alltagskultur der Koalitionsparteien. "Counter-Strike" zähle nicht dazu, denn der Folgesatz im Koalitionsvertrag verdeutliche, "dass die Entwicklung hochwertiger, kulturell und pädagogisch wertvoller Unterhaltungsmedien gefördert werden soll, wozu Ego-Shooter sicher nicht gehören."
"Große künstlerische Leistungen" im Skalpiererfilm?
Keine Frage: Sicherlich würde die Bundesregierung kein Spiel fördern, indem der Zocker die Kontrolle über einen Haufen US-Soldaten übernimmt, die brutal Jagd auf Nazis machen. In dem, detailliert dargestellt, ein Mensch mit einem Baseballschläger getötet wird und andere skalpiert oder in Massen mit Maschinenpistolen niedergeballert werden.
Die Bundesregierung sagte 2008 einen Betrag von 6,8 Millionen Euro dafür dann aber doch zu. Nicht für ein Computerspiel, sondern für "Inglorious Basterds". Quentin Tarantinos Nazi-Metzel-Streifen, gerade Oscar-geadelt, wurde gefördert vom Deutschen Film-Förderfonds aus dem Hause des Kulturstaatsministers Bernd Neumann, CDU. Dessen Haus sieht in dem Film "große künstlerische Leistungen". Hier steht die Politik vor einem Dilemma: Sie kann nicht einerseits das Verbot brutaler Spiele erleichtern und gleichzeitig ähnlich brutale Inhalte anderswo fördern.
Bayern hält nach Anfrage von SPIEGEL ONLINE an seiner Verbotsforderung fest und möchte mittels Strafgesetzbuch Killerspiele killen, zum Beispiel "Call of Duty" oder "Der Pate". Auch bereits erlaubte Titel könnten betroffen sein. Die Bundesratsinitiative dazu liegt seit 2007 auf Eis, weil sich trotz Innenministerplazet in der von Union und FDP beherrschten Länderkammer keine Mehrheit fand.
Diese Bundesratsinitiative unterstützt der "Expertenkreis Amok". Das Gremium bündelte Experten und hörte Gamer, Schüler, Jäger, Polizisten zum Schulmassaker in Winnenden. Der Rat fordert in seinem Abschlussbericht, "das Verbot von gewaltverherrlichenden Darstellungen, v. a. bei Computerspielen (off- und online), durch Änderung des Strafgesetzbuches im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken auszudehnen". Das sei aber "nur dann sinnvoll, wenn auch vergleichbare Situationen mit echten Waffen bzw. realen Paintballspielen sanktioniert werden".
Übrigens heißt es in demselben Abschlussbericht über den Amoktäter, der in einer Schule in Ansbach im September 2009 insgesamt neun Schüler und eine Lehrkraft mit Axthieben und Molotowcocktails zum Teil lebensgefährlich verletzte: "Der Polizei zufolge fanden sich bislang keine sog. Killerspiele oder Gewaltvideos bei dem Täter, lediglich ein Actionfilm."
Quelle:
SPIEGEL ONLINE